Alles ist Design! Chantal Prod‘Hom, Direktorin vom MUDAC Design Museum in Lausanne

Direktorin vom MUDAC Design Museum in Lausanne

Die Direktorin vom MUDAC Design Museum in Lausanne ist die Person, die das im Jahr 2000 gegründete Museum of Design and Contemporary Applied Arts mit außergewöhnlich guten Ausstellungen von einem No Name zu einer Institution gemacht hat, welche auch im internationalen Kontext viel beachtet wird. Sie ist die, die immer wieder die interessanten Fragen der Zeit formuliert und es schafft, diese mit ebenso innovativen Formaten meisterlich auf den Punkt zu bringen. Die, welche der Ruf von Stärke und Entschlossenheit bei der Durchsetzung ihrer Ziele voraus eilt. Deswegen will ich wissen:

Wer ist diese Frau? Über die Direktorin vom MUDAC Design Museum in Lausanne.

Die Stationen in Chantal Prod’Homs Leben machen allein beim Zuhören einen Mund so wässrig, als ließe man sich die Menüfolge eines erstklassigen Sterne-Restaurants vorlesen: alles nur vom Feinsten. Nach dem Studium geht sie nach New York, um an der Uni nochmal für zweieinhalb Jahre ein Postgraduiertenstudium zu absolvieren. Mit dem Certificate of Museum Studies in der Tasche schaut sie bei den ganz Großen über die Schulter und lernt innerhalb von vier Monaten, wie der Kunstbetrieb am Guggenheim Museum zu dem gemacht wird, was er ist. Dasselbe tut sie für ein halbes Jahr auch in einer der weltweit bedeutendsten und einflussreichsten Sammlungen moderner und zeitgenössischer Kunst überhaupt, dem Museum of Modern Art.

Dort wird sie im Katalog-Department des MOMA sehr technisch und praktisch ausgebildet. Und offenbar ist man insgesamt nicht unzufrieden mit dem, was und wie sie es tut. Zurück nach Lausanne kommt sie mit zwei Empfehlungsschreiben. Alle Türen sind also weit auf. Jetzt kann’s so richtig losgehen. Und das tut es auch, denn sie arbeitet mit dem Mann, der etwas Besonderes kann, zusammen:

Der Mann, der die Inspiration für Gordon Gekko in „Wall Street“ gab.

Asher Edelman ist ein ehemaliger 80er-Jahre Finanzinvestor, dessen Wall-Street-Karriere in den 60er-Jahren begann. In den 80ern sprach man von ihm nicht nur als Pionier der fremdfinanzierten Übernahmen, sondern auch als begeistertem Kunstsammler von Künstlern wie Joan Miró oder Jean-Michel Basquiat. Edelman lieferte einen großen Teil der Inspiration für Michael Douglas Charakter in dem Film von 1987: Stanley Weiser, der Drehbuchautor von Oliver Stones Wall Street, sah damals in einer Zeitschrift Edelmans Wohnung voller Kunstwerke und schrieb direkt darauf das Drehbuch um, so dass der von Michael Douglas dargestellte Gordon Gekko ebenfalls Kunst sammelte. Der Drehbuchautor wird zitiert, dass er den „anspruchsvollen Teil von Gekko, sein Haus und die Auktionen und das Furnier der Kultur – das alles“ Edelman nachempfunden hätte.

Von der Wall Street nach Lausanne.

Edelman zieht sich von der Wall Street in die Schweiz zurück und entschließt sich, hier ein Museum für zeitgenössische Kunst zu eröffnen. Im Juni 1991 bringen die Kuratoren Chantal Prod’Hom und Jeffrey Deitch durch ihn ein Museum zum Laufen. Sie starten mit Roy Lichtenstein und Jeff Koons mit Ciccolina – direkt nach der Art Basel 1991:

Erstes Museum für zeitgenössische Kunst in der französischsprachigen Schweiz.

Das FAE, das Musée d’Art Contemporain, präsentiert die ersten europäischen Retrospektiven zukunftsträchtiger zeitgenössischer amerikanischer Künstler wie Jean-Michel Basquiat, Roy Lichtenstein, Robert Mapplethorpe und Peter Halley. Picasso Contemporain, eine Ausstellung der Nachkriegskunst des Künstlers, gilt bis heute als beispiellos in verschiedener Hinsicht. Die bahnbrechende Gruppenausstellung Post Human trägt dazu bei, mit Künstlern wie Paul McCarthy, Matthew Barney, Mike Kelley, Cindy Sherman und vielen anderen eine neue figurative Bewegung und Vision in der Kunst zu definieren.

Erste Ausstellung über Oliverio Toscani für Benetton – ein weiterer Meilenstein.

Prod’Hom will eine Ausstellung von Oliviero Toscanis legendären Arbeiten für Benetton machen. Dieser ist jedoch zuerst dagegen: „Mein Museum ist die Straße!“ lehnt er ab. Doch sie schafft es tatsächlich, ihn zu überzeugen.

Seine provokanten Motive für die Modemarke sind hinten im Buch, das parallel zur Ausstellung erscheint, als Briefmarken zu finden.

Quer durch die Welt.

Doch nach fünf Jahren gibt es massive Budgetprobleme, weil man nur einen einzigen privaten Geldgeber hat. Das ändert alles und 1995 zieht Frau Prod’Hom als Executive Director ins kreative Fabrica Research Center nach Treviso, Italien. Maximal 25 Jahre alt darf man dort sein als Kreativer und bleibt zweieinhalb Jahre lang wie in einer großen Familie. Sie arbeitet als Talent Scout und reist dafür ununterbrochen durch die Welt – London, Paris, New York, Tokio, durch Asien.

Ich mag den Fakt, dass das ein offener Spielplatz ist.

Nach ihrer Rückkehr wird sie Direktorin vom MUDAC Design Museum in Lausanne, wo sie fünf bis sechs Ausstellungen pro Jahr zeigt. Sie konstatiert: „Design is an open word“. Ihr ist es wichtig, dass das Haus für ein offeneres Programm steht. Denn ihre Idee von Design ist, dass alles Design ist. Sie und ihre drei Kuratoren arbeiten nach diesem Motto und lieben den Mix: Neben einer Glaskollektion aus den späten 60ern wird für eine Ausstellung ein Mini komplett in Camouflage eingerüstet. Auch die Permanent Exhibition soll nicht zu „permanent“ sein. Stattdessen lieber Themen, die auch mal aufregen. Dass das Ganze alles andere als humorlos ist, erkennt man unschwer in der Pets with Style-Ausstellung.

Mirrors Mirrors.

Kurator Marco Constantin arbeitete drei Jahre lang an dieser Ausstellung, in der der Besucher mit der Beziehung zum eigenen Bild und Selbstbild konfrontiert wird.

Aufgegriffen wird auch ein ganz aktuelles Thema wie die Selfie-Kultur, inszeniert in verschiedenster Weise.

Chantal ProdʼHom wird übrigens 2013 mit dem Merit, dem Schweizer Designpreis 2013 ausgezeichnet, weil sie sich als erstklassige Vermittlerin von zeitgenössischem Design und als engagierte Förderin des Schweizer Designnachwuchses hervorgetan hat. Chapeaux, Madame!

Und jetzt? Auf die Zukunft!

Wir dürfen uns mit ihr auf eine neue Plattform für Kunst in Lausanne freuen, die ähnlich wie das Museumsquartier in Wien konzipiert ist: In der Platform 10 werden ab dem Jahr 2021 drei Museen gemeinsam ihren Platz haben: das Museum für Bildende Künste, das Design Museum sowie das Museum für Fotografie. Auf dem Gelände des Bahnausbesserungswerk der CFF und SBB, das die Stadt Lausanne dem Land übergab. Sie freue sich wahnsinnig auf die Zukunft; denn hier, sagt die Museumsdirektorin ganz direkt, wäre die Logisitik miserabel: Drei extrem schlecht zugängliche Etagen, was zu dem absurden Fakt führt, dass sie manchmal Kunst nach dem Maßstab aussuche, ob sie rein größenmäßig reinpasst oder nicht. 50 Mio. kommen von der Stadt und 40 von privaten Investoren. Es war nicht anders zu erwarten: Es wird wieder magnifique!

Wie es uns sonst in Lausanne gefallen hat, und weitere Tipps findest du hier,

 

Das Gespräch mit und über die Direktorin vom MUDAC Design Museum in Lausanne fand während einer Recherchreise nach Lausanne am Genferseengebiet in der Schweiz statt. Mein allerherzlichster Dank für dieses Zusammentreffen mit dieser starken Frau gilt dem Tourismusverband des Genferseegebietes VAUD – Région du Léman und speziell Melanie Schacker von PR Solutions by Melanie Schacker.

Text und Fotos: Sabine Neddermeyer

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