Sch… auf die, ähem, Schluss mit den guten Vorsätzen fürs neue Jahr, denke ich mir dieses Jahr schon im Januar, als ich die ersten Schaufensterauslagen in Turin sehe. Turin sehen und schlemmen, ich verschiebe meine zuckerfreien Tage und die geplante Detox-Kur auf viiiiel später, als ich die ersten kleinen Schweinereien gierig wegnasche.
Meine Los Wochos für Feinschmecker beginnen nämlich genau hier. Die beste spontanste Entscheidung ever, wie ich in den nächsten Stunden und Tagen immer wieder begeistert feststelle.
Als ob nicht völlig klar wäre, dass es hauptsächlich um Leib und Seele gehen könnte, wenn man nach Italien reist … Doch ehrlich gesagt wusste ich vorher gar nicht, was ich hier alles unbedingt testen muss. Meine zugegebenermaßen recht ungebildete Vorstellung von Turin fing bei den Autobauern von Fiat an und hörte bereits beim Turiner Grabtuch auf. Mehr war da nicht. He, was ist mit den Fußballern von Juventus Turin?, ruft die bessere Hälfte da aus dem Hintergrund rein, während ich so beim Tippen vor mich hin sinniere. – Ach! Italienischer Meister? Letztes Jahr und die beiden davor auch? Traditionsreichster Club Italiens? Okay! Auch die Stadt, die ich mir hier gerade angucken darf, belehrt mich eines Besseren.
Ich lerne und staune, während ich durch die Straßen gehe. Immer mit dem Blick nach oben. Diese Häuserfronten! Diese Straßenzüge! Warum wohne ich nicht in so einem Altbau? Warum hat meine Wohnung und eigentlich keine Wohnung in Berlin solche Fensterläden? Warum ist die Stadt, in der ich wohne, so fürchterlich zerbombt worden? Ich beginne Umzugspläne zu schmieden, klammheimlich, ich ziehe nach Turin.
Turin ist Augenfutter
Diese Stadt mit der 2000 Jahre alten Geschichte liegt nicht nur hübsch nah zu erreichen im Nordwesten von Italien und nur ca. eine Autostunde von Mailand entfernt (ich bin mit dem Flugzeug bis Milano Malpensa gereist und dann hierher), sondern vor allem liegt sie hübsch eingebettet in der Region Piemont – stimmt übrigens genau, das was man übersetzen würde – am Fuße der Berge! Zwischen den Alpen und der Po-Ebene. Das sorgt für tolle Berg-Blitzer, wenn man von der einen wunderschönen Straße in die andere wunderschöne Straße geht: hups, schau mal, die Beeerge! – oder wenn man über den Fluß Po geht (jaaa, nicht nur die Kinder finden das witzig, ich freue mich auch jedesmal diebisch: Ich geh mal kurz über den Po rüber, von da aus sieht man so schön die Berge! – hahahaha) …
Oder natürlich, wenn man auf dem Wahrzeichen von Turin steht, dem Mole Antoniella, zärtlich von den Turinern Mole genannt. Kleine Anekdote nebenbei: Hier haben sie eine lustige eigene Cola erfunden, drauf abgebildet ist die Spitze des Turmes. Kombiniert mit dem Namen der schwarzen Brause ergibt es … das italienische Wort für Molekül – hach, da freut sich meine Wortspielerseele.
Turin mit Kindern, ein Traum.
Wo ich gerade schon dabei bin, bei den Sachen, die Kinder ja so sehr lieben und nie haben dürfen, fällt mir auf, dass ich unbedingt berichten muss von den Dingen, die eure Kinder hier sicher auch lieben würden: Das herrlich oberprotzige Waffenlager von anno Ritterrüstung. Mit den schrägsten Helmen, den faszinierendsten Säbeln und den glänzendsten Reiteroutfits der damaligen Zeit. Jeden kleinen Jungen muss man dort mit Waffel-(!) -Gewalt wieder rausschleppen.
Jedes Mädchen schwärmt wahrscheinlich von den Wohnräumen des barocken Spielplatzes der Damen und Herren König und Königin im Palazzo Reale, dem königlichen Palast. Eine Materialschlacht sondergleichen mit den Best-of-Items des 17. Jahrhunderts: XXXXL-Kronleuchter, Wandteppiche, von denen man nachts noch weiterträumt, ein Schloss mit unzählbaren Räumen, dekoriert mit allem, was damals in war – wie beispielsweise die klitzekleine japanische und chinesische Vasen-Sammlung (natürlich raumfüllend).
Gold, Gold und nochmals Gold
Schon das Zimmer der Reiterknechte wirkt so, als ob Harald Glöööckler seine Finger im Spiel gehabt hätte. Von den weiteren herrschaftlichen Räumen ganz zu schweigen. Gut, das war einfach eine Zeit, in der „weniger ist mehr“ noch nicht GANZ so angesagt war. Das hier ist ein Denkmal der damaligen Macht des Hauses Savoyen. Ein Barocktempel, wie er im Buche steht. Köstlichst! Nur das private Schlafzimmer des Königs ist völlig unrepräsentabel: kein Chichi, kein 100-Quadratmeter-Saal, nur ein einziger Vorteil: Vom Bett aus siehst du in den schönsten Teils des Gartens. Ein sympathischer Typ, dieser König Karl Albert. Hier ist im Übrigen auch die Kapelle für das sagenumwobene Grabtuch. Nur für den Fall … Ich allerdings lasse Grabtuch Grabtuch sein und gehe ein wenig bummeln.
Schöner Shoppen
Tja, wo wir vorhin gerade dabei waren: jede Frau oder auch Mutter muss man wohl aus den 18 km langen Arkadengängen der Via Roma und Via Po wieder herauszerren. Ganz zu schweigen von den Cafés. Diese Cafés … ein Traum. Nicht modern, sondern wundervoll charmant und wie aus der Zeit gefallen. Wie vieles Andere hier auch: Spezialitätenläden aller Art, Buchläden, Plattenläden.
Neben den Arkadengängen beeindrucken mich auch alle Plätze der Innenstadt mit all den Barockbauten, die Jugendstilfassaden, die vielen Kirchen immer zwischendrin in den Straßen. Die Paläste und Schlösser in der Umgebung von Turin wurden völlig zurecht zu UNESCO Weltkulturerbe erklärt.
Hätte ich sonst nachgeholt, wenn es nicht schon passiert wäre. Das oben beschriebene Schloss ist es auch schon seit 1997.
Täglich bis auf Sonntags findet in Turin ein riesengroßer Markt statt. Der Porta Palazzo ist Europas größter Freiluftmarkt mit mehr als 1.000 Händlern. Irre! Definitiv eine Empfehlung für einen Trip nach Turin! Hier gibt’s wirklich alles an Obst, Gemüse und Kräutern, was mein Herz begehrt. Ich brauche größere Koffer! Turin sehen und schlemmen geht weiter!
In der Markthalle daneben gibt es dann Fleisch, Pasta, Grissini, die übrigens aus Turin stammen, genauso wie die berühmten Schokoladen-Leckerlis rund um die Gianduja, die Haselnuss. Ich = Fan!
Turiner sind Erfinder
Apropos „von hier“: Aus der Region Piemont kommt auch der berühmte Wermut, der Martini. Barolo- und Barbaresco-Weine werden hier gekeltert, Asti spumante kommt von hier und – ja, auch Nutella. Nur die Piemont-Kirsche, die ich vor der Reise als halbseidenes Wissen im Kopf hatte, kann man nicht finden, weder auf dem supertollen Markt noch sonst irgendwo. Die hat sich nämlich Herr Ferrero (auch aus dem Piemont, klaro) einfach nur fein ausgedacht. Na toll!
Unfassbar unaufgeregt
Was ich extrem angenehm fand, ist die Tatsache, dass Turin überhaupt nicht überlaufen ist von Touristen. Hoffentlich bleibt das noch ein bisschen so. Sonntags beim Spazieren im riesigen Parco del Valentino, im ältesten und schönsten Park Turins, trifft man viele italienische Familien, die ihren Spaß haben, eine große Truppe Slackliner-Artisten und viele Hunde. Der Park schließt sich malerisch an den Flusslauf an.
Du bist im Italienfieber?
Kein Problem, noch mehr Reisetipps für Italien findest du hier:
- „Come to Calabria“ oder wie man ein ganzes Dorf rettet.
- Gardasee, you rock!
- Der Comer See in Italien. Einfach zu gut.
- Salento, Land zwischen den Meeren.
- Kleine Zeitreisen durch Sanremo
Fotos: Sabine SABKO Neddermeyer
Turin sehen und schlemmen. Danke an ENIT und Turismo Torino für die Reise nach Turin, vor allem an Chiara Crovella; und die Kunsthistorikerin in mir sagt Mille Gracie an die unglaubliche Silvia Cordero für all ihr Wissen und die so amüsant erzählten Anekdoten aus der Geschichte Turins.