6293 Stufen zur Erleuchtung – schaffe ich den Aufstieg auf den Tai Shan, den heiligsten Berg Chinas, über diese schier endlose Treppe? Langsam kommen mir Zweifel bei meinem kühnen Plan.
Der Tai Shan gehört zu den fünf heiligen Bergen des Daoismus. Er liegt im Osten Chinas, dem Sonnenaufgang am nächsten, und gilt als „Kopf des Schöpfers“. Ursprünglich war bei dieser Chinareise durch die Provinz Shandong eine Seilbahnfahrt auf den Gipfel geplant – aber das empfinde ich, jetzt wo ich hier bin, fast als Frevel. Der Weg gehört zum Ziel: Anstrengung, Zweifel, Überwindung. Ich kann mich jetzt nicht einfach in eine Gondel setzen.
Andreas vom Reiseblog Gipfelfieber denkt ähnlich, und wir verabreden uns für den Aufstieg am nächsten Morgen. Gegen Mittag wollen wir den Rest der Gruppe auf dem Gipfel treffen – so der Plan.
Tai Shan – Der Aufstieg beginnt
6:00 Uhr. Eine unruhige Nacht liegt hinter mir. Der Koffer ist gepackt, das Frühstück fällt aus. Ich heule ein bisschen meinem fehlenden Morgenkaffee nach – aber in China ist guter Kaffee ohnehin Glückssache.
6:30 Uhr. Wir marschieren los. In den Straßen herrscht überraschend viel Verkehr – viele möchten wohl die kühlen Morgenstunden nutzen, bevor die Temperaturen wieder über 30 °C steigen.
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Mehr Informationen7:22 Uhr. Wir passieren das Gate, ab hier fahren die Busse zur Mittelstation und bringen Besucher zur Seilbahn, die auf den Gipfel führt.

“By the river of Babylon …” schallt es durch das Tal
Einige ältere Männer kommen uns entgegen. Viele tragen eine Stange über der Schulter, vorne und hinten hängt ein gut gefüllter Wasserkanister. Heiliges Wasser vom Berg? Ich frage nicht nach. Fast jeder hat ein kleines Taschenradio dabei und so kräht uns von 70er Jahre Pop bis zu traditioneller chinesischer Musik alles entgegen.
Ein Stausee taucht auf, Männer baden im klaren Wasser. Tipp: Badezeug mitnehmen! An heißen Tagen lohnt sich hier eine Abkühlung.
Ein Stausee taucht auf. Wir beobachten ein paar Männern bei ihrem Morgenbad. Tipp: Badezeug mitnehmen! An heißen Tagen wie heute lohnt sich hier eine Abkühlung.

9 km, 1350 Höhenmeter und 6293 Stufen
Kurve um Kurve geht es weiter. In der Ferne können wir den Gipfel samt der “Treppe der 18 Windungen” und das „Tor der Unsterblichkeit“ erkennen. Die Treppe ist 9 km lang – 1350 Höhenmeter liegen vor uns.


Wir kürzen kurz durch den Wald ab und kaufen um 8:30 Uhr unsere Tickets. Noch einmal ein kurzer Pfad durch den Wald, dann stehen wir an der Seilbahnstation. Etwa die halbe Strecke ist geschafft.

Die Atmosphäre gleicht einer Volkswanderung. Der Tai Shan ist mit rund 6 Millionen Besuchern jährlich der meistbestiegene Berg der Welt! Beim Anblick dieser Menge verfliegen meine Zweifel. Wenn das alle schaffen, dann ich auch.




Wir gehen vorbei an vielen Souvenirshops und dann stehen wir vor der Treppe. Nun beginnt der endlose Aufstieg. Hohe Stufen, schmale Stufen, steile Stufen – das monotone Steigen wird meditativ. Ich höre meinem Atem zu, verliere das Zeitgefühl.

Ich fange an zu zählen, gebe aber schnell wieder auf, schließlich habe ich in meinem Leben noch nie geschafft bis 1000 zu zählen. Lastenträger kommen uns entgegen oder steigen mit uns hinauf.


Immer wieder gibt es kleine Treppenabsätze mit Getränkeständen zum kurzen Verschnaufen. Allerdings wollen wir unsere eisgekühlte Coke erst auf dem Gipfel trinken,

Hohe Stufen, schmale Stufen, breite Stufen, steile Stufen
Wir passieren verschiedene Tore und dazwischen Stufen: hohe Stufen, schmale Stufen, breite Stufen, steile Stufen. Das monotone Treppensteigen lässt mich die Umgebung und den Trubel vergessen. Der Aufstieg ist fast meditativ, ich höre meinem Atem zu.

11:00 Uhr. Endspurt! Die letzte Treppe ist besonders steil, und es rächt sich ein bisschen, dass ich auf nüchternen Magen losmarschiert bin.

Mir fehlen schlicht und ergreifend ein paar Kalorien, ich muss etwas langsamer gehen. Andi ist flotter unterwegs und erwartet mich oben vor dem Eingang zur Tempelanlage.

Das letzte Tor, die erste Cola! GÖTTLICH! Wir haben es tatsächlich geschafft. Über 6000 Stufen in gut zwei Stunden. Waden aus Stahl, butterweiche Knie, ich könnte platzen vor Glück.

Auf dem Gipfel weht ein heftiger Wind, und ich bin froh, dass ich meine Jacke dabei habe. Der erste Tempel, Räucherstäbchen und Massen von Schlössern.




Schon bei meinem Stopover in Hong Kong habe ich festgestellt, dass Chinesen auf Berggipfeln gerne shoppen. Neben Tempeln gibt es hier oben Restaurants, Souvenirläden und ein paar Hotels.



Fast wie auf einer Promenade wandern wir noch ein Stück auf dem Plateau, bis wir nach weiteren 400 Stufen Aufstieg endgültig den höchsten Punkt samt heiligstem Tempel erreichen.


Höher geht nicht, wir stehen auf dem „Gipfel des Jadekaisers“ mit dem Tempel des Jadekaisers, einer der wichtigsten Gottheiten in der chinesischen Mythologie.




Zurück nehme ich gerne die Seilbahn. Andi läuft die Stufen und ist vor mir im Tal. Respekt! Aber dafür habe ich am nächsten Morgen keinen Muskelkater – YEAH!
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Mehr InformationenTai Shan der heiligste Berg Chinas – Tipps und Infos für den Aufstieg:
- Viele Pilger und Touristen steigen gerne mitten in der Nacht auf den Berg um den “schönsten Sonnenaufgang der Welt” zu erleben. Oliver von Sinograph hat darüber berichtet.
- Jacke nicht vergessen! Auf dem Berg ist es immer etwas kühler!
- Gesicht und Nacken gut eincremen. Die meiste Zeit wandert man in der prallen Sonne die Stufen hinauf. Wer empfindlich ist, wickelt sich ein Tuch um den Kopf oder setzt einen Sonnenhut auf.
- Proviant und vor allem Getränke einpacken. Viele Chinesen machen gerne ein kleines Picknick auf den Stufen.
- Bequeme und rutschfeste Schuhe sind ein Muss! Es gibt drei Routen auf den Tai Shan. Wir sind über die Westroute gewandert. Schwimmzeug für den See nicht vergessen.
- Ich würde bei normalem Tempo ca. 5 Stunden für den Aufstieg einplanen
Preise 2025:
- Eintritt: 125 Yuan in der Hauptsaison (Februar–November), 100 Yuan in der Nebensaison (Dezember–Januar).
- Seilbahn: ca. 100 Yuan einfache Fahrt, 200 Yuan Hin- und Rückfahrt.
Der Text wurde 2025 komplett überarbeitet und aktualisiert.
Text Britta Smyrak, Fotos Britta Smyrak + Andi Gruhle

Hallo,
schöner Bericht und Bilder. Ich habe auf dem Tai Shan schon übernachtet und morgens zum Sonnenaufgang aufgestanden. War eine sehr kalte Sache damals.
Lg Thomas
Hallo Thomas,
den Sonnenaufgang auf dem Tai Shan würde ich auch gerne erleben. Vielleicht beim nächsten Mal. wann warst du oben?
LG
Britta
Oh wie war das gut! Vor allem warm. Und anstrengend. Und diese Schmerzen in den Oberschenkeln nach dem Runterrennen…
ja, ja, das Runterrennen, genau wie das Käferessen zwei Dinge die Du mir einfach vorraus hast Andi! Beim nächsten Mal ziehen wir gleich.
Interessaner Beitrag und wunderschöne Bilder! Ich glaube ich hätte mich bei den Stufen verzählt haha 🙂
Alles Liebe,
Celine
Hi Celine, du hast mich ertappt! Ich habe die Zahl natürlich recherchiert : ) Ich habe zwar mit dem Zählen angefangen, wie wahrscheinlich jeder der hochsteigt, war aber schnell unkonzentriert, weil ich auf die Stufen achten musste und das ganze drum herum. Und zurückgehen, um von vorne anzufangen, war keine Option. Also vertraue ich an dieser Stelle Google und Wkipedia.Liebe Grüße Britta