Auguri! Silvester in Venedig ohne Böller ist der Knaller.

Gondeln an Silvester in Venedig

Silvester in Venedig: „Kann man da böllern?“ Ich überlege mir die passende Antwort auf die Frage des Jüngsten, nachdem wir entschieden haben, dieses Jahr mit Freunden Silvester in der Lagunenstadt zu verbringen. „Auf dem Markusplatz wird es ein grandioses Feuerwerk geben, das wir uns anschauen können.“ Dass ansonsten Raketen und Knaller aus Brandschutzgründen zu Silvester in Venedig in der gesamten Stadt verboten sind, verschweige ich. Die Antwort war wohl trotzdem zufriedenstellend, denn gerade haben wir das Vaporetto in Richtung Ca d’Oro bestiegen.

Kunst & Kommerz in der berühmtesten Stadt auf dem Wasser

Die Zeit bis Capodanno, wie hier der Jahreswechsel genannt wird, können wir uns in der Stadt der Liebe, Löwen und Dogen locker vertreiben. Wir sind umgeben von Menschen aller Nationen, Kunst, Kirchen, Kommerz und Kitsch in überbordender Fülle …

Noch sind es einige Tage bis zum Jahreswechsel und uns bleibt Zeit für verschiedene Erkundungstouren. Nachdem wir bereits auf unserer Reise mit Kindern in Rom einen Bogen um die Warteschlange in den Petersdom gemacht haben, verzichten wir nun auch in Venedig konsequent auf eine Besichtigung des Markusdoms. Zum einen, weil die wartende Menschenschlange auch hier phänomenal lang ist, zum anderen, weil man damit einen Grund mehr hat wiederzukommen. Außerdem wollen wir uns zum Jahresende einfach mal treiben zu lassen.

shoppping schaufenster in venedig

Unterwegs vom Markusplatz zum mehrfach abgebrannten und wieder aufgebauten Teatro La Fenice bestaunen wir die zum Jahresende hin fantasievoll dekorierten Schaufensterauslagen der Luxusmarken. Alles, was auf sich hält, von Versace und Gucci über D&G, Tod’s, Prada und Louis Vuitton, ist in der südwestlichen Verlängerung des Markusplatzes vereint. Wer dem stetigen Strom der Menschenmassen auf den Gassen entfliehen will und genug Selbstbewusstsein hat, kann sich hier mutig Eintritt in einen der weitgehend entvölkerten Glitzertempel verschaffen – vorausgesetzt, er kommt an den streng blickenden, uniformierten „Ladenhütern“ im Eingangsbereich vorbei.

Schaufenster shopping bei prada in Venedig

Ein neuer Lieblingsort für Luxus-Shopper am Canale Grande ist seit Oktober 2016 der fünfhundert Jahre alte Fondaco dei Tedeschi (Calle del Fontego, 30100). Ehemals das Handelshaus deutscher Kaufleute in Venedig, beherbergt das imposante Gebäude heute, nach einem (trotz Einbaus von Rolltreppen!) äußerst gelungenen Umbau auf 7.000 Quadratmetern exklusive Boutiquen und Modemarken sowie einen F&B-Bereich mit ausgewählten Weinen und regionalen Produkten.

Ausicht vom Dach der fondaco dei tedeschi

Highlight ist das Rooftop, eine hölzerne Dachterrasse, von der sich ein Blick über die Dächer ganz Venedigs bietet. Die Reservierung eines Terrassenplatzes für die kostenlose Besichtigung empfiehlt sich.

Zu Besuch bei der Ahnfrau aller Groupies

Der nächste Zwischenstopp vor unserem Silvester in Venedig heißt Kultur. Da ich bereits bei früheren Besuchen das „alte“ Venedig mit seinen Malerschulen, Kirchen und Museen ausgiebig erkundet habe, nehme ich mir dieses Mal eine etwas andere Auszeit und besuche die Peggy Guggenheim Collection.

Peggy Guggenheim Collection in Venedig

Das ist jetzt genau das Richtige für eine Stippvisite mit einer guten Freundin, mal ganz ohne Familiengesumms drum herum. Wir streifen durch die Räume mit moderner Malerei und ich erinnere mich an einen Spiegel-Beitrag zur schillernden Persönlichkeit der amerikanischen Kunstmäzenin Peggy Guggenheim. Das Interview, das 1976 – drei Jahre vor ihrem Tod – geführt wurde, gab Einblicke in das bewegte Leben dieser exaltierten Lady, die selten ein Blatt vor den Mund nahm. Die feine, kleine Sonderausstellung „Picasso. On the beach“, die gerade läuft, lassen wir uns natürlich auch nicht entgehen.

No grandi navi! Kein großes Schiff!

Zurück auf der Straße, merke ich einmal mehr: Venedig gehört den Touristen. Und damit auch mir.

Blick in einen schmalen Kanal in Venedig

Auch deshalb bröckelt es hinter den Fassaden ganz gewaltig. Denn die stetig wachsende Zahl nicht nur von Tagestouristen ist schon vor Jahren zum Problem für viele Einheimische geworden, die keine Mietwohnungen mehr finden, sich mit hohen Lebenshaltungskosten und Dauertrubel konfrontiert sehen. Im Schaufenster der Morelli- Apotheke nahe der Rialto-Brücke blinken seit acht Jahren Ziffern auf einer Anzeigentafel: Immer wenn ein Venezianer seine Heimatstadt verlässt, zählt der Counter nach unten. Heute sind es nur noch 55.000 Einwohner und innerhalb von 25 Jahren ist die Bevölkerung um ein Drittel geschrumpft. Inzwischen mehren sich die Stimmen, die ein Umdenken im Tourismus-Konzept der Stadt fordern; Aktivisten machen mit Protestaktionen gegen den Ausverkauf der Stadt mobil.

Protest spraying in Venedig

Kleine Teilerfolge konnten sie immerhin erringen: Kreuzfahrtschiffe dürfen künftig nicht mehr den Markusplatz passieren. Denn wer einmal gesehen hat, wie sich die Dimensionen verschieben, wenn einer dieser Riesenfeinstaubdampfer meterhoch direkt am Dogenpalast vorbeischiebt, der weiß, dass dies nur eine richtige Entscheidung sein kann. Ob die weitere Erosion des Untergrundes damit verhindert wird oder ob es schon zu spät dafür ist, wird sich zeigen.

Silvester in Venedig. Essen & Trinken á la veneziana

Nun wird es aber Zeit! Es ist einen Tag vor Silvester und wir müssen uns entscheiden: Silvester außer Haus oder selbst in die Küche stellen? Nachdem wir in allen Lokalen unserer engeren Auswahl bereits zu spät dran sind mit einer Reservierung, entscheiden wir uns für die zweite Variante. Die venezianische Küche ist voll von Spezialitäten, die man unbedingt (aus)probiert haben sollte.

Rialto Fischmarkt in Venedig
Fisch und Muschen auf dem Rialto Fischmarkt in Venedig

Viele von ihnen haben mit Fisch zu tun, von dessen außerordentlicher Vielfalt und Frische man sich vormittags auf dem Fischmarkt an der Rialto-Brücke überzeugen kann. Hier haben wir uns für unser selbst zubereitetes „cenone di capodanno“, das mehrgängige Menü an Silvester, eingedeckt. Aber auch besondere Fleischgerichte und hervorragende Pastavariationen gehören zur Küche der Lagunenstadt. Sarde in saor (sauer eingelegte Sardinen), Fegato alla veneziana (venezianische Leber), Seppie nere (Tintenfischragout) und Baccalà mantecato (Fischcreme) sind neben dem in Harry’s Bar erfundenen Carpaccio nur einige Speisen, die den (nicht-vegetarischen) Gaumen erfreuen. Das ausgiebige cenone (Abendessen) spielt an Silvester eine besondere Rolle. Während man im übrigen Italien zampone (gefüllter Schweinefuß) oder cotechino (italienische Wurst) zubereitet, ist es in der Lagune das musetto, ein stark gesalzener „Fleischteig“ aus Schweineschnauze, der lange in Wasser gekocht wird. Wer’s mag …

Wir haben uns für eine harmlosere Variante aus Antipasti, Spaghetti vongole (Spaghetti mit Venusmuscheln), filetto di maiale (Feines Schweinefilet umwickelt mit gebratenen Zucchini Scheiben) und einer leckeren Auswahl dolci als Abschluss entschieden.

Pasticceria Murano in Venedig

Venezianische Nachrichtenzentralen sind übrigens die Bacari, kleine Weinbars, in denen sich auch andere Alkoholika und Antialkoholica genießen lassen und die sich zuhauf in Gassen und an Auf- und Abgängen von Brücken finden. Damit verbunden ist die Tradition des „andare per ombre“. Diese beliebte Freizeitbeschäftigung der Venezianer ist gleichzeitig der Kitt für das soziale Miteinander. Gemeint ist nichts anderes als ein Gläschen Wein in einer der vielen Bacari der Stadt trinken zu gehen. Eine ombra misst 100 Milliliter, genug, um entspannt ins Plaudern zu kommen. Dazu gibt es Cicheti, kleine wohlschmeckende Häppchen, die das Zeug haben, ein Mittagessen zu ersetzen. In der Salizada del Pistor in Cannaregio hat es mir besonders der Bacaro El Sbarlefo  angetan. Ein guter Start für ein entspanntes Silvester in Venedig.

Aperol in Venedig

Finalmente Capodanno! Endlich Silvester in Venedig!

Am Ende unseres Aufenthalts in Venedig stand schließlich und endlich der Jahreswechsel 2017/2018. Wie wir ihn verbracht haben? Gaaaaanz entspannt bei einem leckeren Essen, das sich traditionell fast bis Mitternacht hinzog. Bei gutem Wein und guten Gesprächen.

Und nein, wir waren nicht auf dem Markusplatz zum großen Feuerwerk am Jahresende. Und ja: Der Jüngste hat uns das trotzdem verziehen. Es ging auch ohne Böller. Sehr gut sogar.

Du bist nur ein Wochenende inVenedig?

Hier findest du hilfreiche Tipps für Kurzentschlossene

 

Text und Fotos Katharina Zeutschner

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