Heute ist Tag 1 meiner Rundreise durch Anatolien. Gestern bin ich über Ankara angereist und habe die Nacht in Safranbolu verbracht, einer Kleinstadt in der Provinz Karabük ungefähr 230 Kilometer nördlich von Ankara
Es ist November und kalt in Anatolien
Am Morgen weckt mich der Ruf des Muezzin. Ich schaue aus dem Fenster auf den verschlafenen Ort. Aus den Schornsteinen der alten Fachwerkhäuser steigt Rauch, es ist kälter, als ich erwartet habe. Irgendwie jammern doch alle Türken über das kalte Wetter in Deutschland, dabei habe ich das Gefühl, es könnte jeden Moment Schnee vom Himmel fallen.
Nach dem Frühstück mache ich einen Ausflug nach Yörük Köy, ein Nomadendorf ganz in der Nähe. Die Straßen sind fast ausgestorben, dicke Hunde liegen in der Sonne und dösen.
Viele der alten Fachwerkhäuser stehen leer. Es braucht Geld um sie zu renovieren, dass niemand hat. Vielleicht kommt auch hier die Zeit der Rückkehrer mit etwas Geld in den Taschen. Dem Dorf würde es sicher gut tun.
Bis es so weit ist, kümmert sich Filiz um die Touristen. Filiz wohnt bereits in der 8. Generation in einem der großen Fachwerkhäuser und liebt es, die Geschichte wieder lebendig zu machen. Sie erzählt von früher, als die Häuser noch in zwei Hälften unterteilt waren, in die Männerseite und die Frauenseite. Mehrere Generationen lebten unter einem Dach und in der Dorfgemeinschaft wurde vieles gemeinsam gemacht, zum Beispiel die Wäsche gewaschen. Um das zu demonstrieren nimmt sie die Besucher mit in das alte Waschhaus und ich werde das Gefühl nicht los, dass sie diese Zeit vermisst.
Nach dem Besuch bei Filiz ist Zeit für eine Pause im sehr schönen Dorfcafé Yörük Sofrasi. Warmes Fladenbrot mit Spinat- oder Kartoffeln wird gereicht, dazu ein schwarzer Tee und danach natürlich etwas Süßes.
Zurück geht es nach Safranbolu. In dieser mittelalterlichen Stadt stehen ebenfalls viele dieser großen und mehrstöckigen, Konaklar genannten, Fachwerkhäuser. Seit 1994 gehört Safranbolu zum Weltkulturerbe der UNESCO.
Ein Spaziergang durch die engen Gassen, vorbei an hübschen kleinen Geschäften und Cafés macht Spaß. Vor allem der Arasta Bazaar aus dem 17. Jahrhundert hat mir gefallen. Insgesamt ist Safranbolu größer und weitläufiger als gedacht und je nachdem, wie viel Zeit du hast, kannst du eine kleine oder eine größere Tour machen.
Kemal Atatürk, so aktuell wie nie
Morgens um fünf nach neun Uhr, auf dem Weg nach Ankara, fährt der Bus plötzlich rechts ran und hält. Es ist Tag 2 meiner Rundreise durch Anatolien und der 10. November, der 80. Todestag von Mustafa Kemal Atatürk. In Gedenken an seinen Tod im Jahr 1938 hält das Leben in der die Türkei für eine Minute an. Was für eine Ehre. Wie wäre die Türkei heute, wenn Atatürk noch 10 Jahre länger gelebt hätte? Er hat in sehr kurzer Zeit viele Reformen durchgesetzt, die Türkei modernisiert und verändert, wie kein Mensch zuvor.
In Ankara besuche ich natürlich Anıtkabir, wie die Gedenkstätte und das Mausoleum offiziell genannt werden. Mit mir pilgern 5 Millionen Türken den Hügel hinauf. Viele tragen Atatürk T-Shirts, Blumen, Fahnen und es sind viele jüngere Leute, Frauen und Mädchen meist ohne Kopftuch. Immer wieder schallen Sprechchöre durch die Luft. Die Türken sind stolz auf ihr Land, stolz auf Atatürk und ich werde das Gefühl nicht los, dass er im Moment besonders viel Zulauf hat.
Rundreise durch Anatolien – Zwischenlandung auf einem anderen Stern
„Anatolien umfasst fast das gesamte Gebiet der Türkei, …“ ich horche auf, denn in meiner Vorstellung lag Anatolien bisher weit weg im Osten der Türkei, „nur der westliche Zipfel mit der europäischen Hälfte von Istanbul gehört nicht dazu …“ dringt es noch an mein Ohr dann gehört meine ganze Aufmerksamkeit wieder der Landschaft, die an mir vorbeizieht. Anfangs sind es noch bewaldete Berge, die mich an Österreich erinnern später dann eine weite karge Ebene. Ich bin auf dem Weg in den Süden nach Kappadokien.
Nach knapp 2 Stunden erreichen wir den riesigen Salzsee Tuz Gölü. Er ist ungefähr 100 Kilometer lang und misst an seiner breitesten Stelle etwa 50 Kilometer. Damit ist er nach dem Vansee der zweitgrößte See des Landes und einer der salzhaltigsten Seen der Welt. Die Sonne lässt das Salz wie Schnee glitzern und die Menschen werden zu winzigen Scherenschnitten. Es ist eine irreale Szenerie und ich komme mir vor, als wäre ich auf einem anderen Stern gelandet. Gerne würde ich weiter hinauslaufen, da ertönt die Hupe vom Bus.
Es geht weiter, immer weiter und das nächste Highlight meiner Rundreise durch Anatolien, die unterirdische Stadt Kaymakli, wartet auf mich. Bereits im 3. Jahrtausend v. Christus wurde diese Stadt mit ihren Höhlen und Gängen von den Hethitern in das weiche Tuffgestein gegraben. Kaymakli galt als uneinnehmbar und bot in der Folgezeit den Christen Schutz vor der Verfolgung durch das Römische Reich.
Bis zu 8 Stockwerke geht es in die Tiefe. Ställe, Lager- und Wohnräume boten damals genügend Platz für bis zu 15.000 Menschen. Bei einem Angriff konnten sie wochenlang mit ihren Tieren hier unten ausharren. Ein ausgeklügeltes Belüftungssystem sorgte für ausreichende Luftzufuhr und einen Brunnen gabes auch. In Kappadokien sind bis heute 36 unterirdische Städte bekannt, aber nur wenige für die Öffentlichkeit geöffnet.
Ich bin froh, als ich wieder Tageslicht sehe und aufrecht gehen kann. Der Gedanke mehrere Tage und Wochen unter der Erde zu leben ist nicht gerade angenehm.
Keine Rundreise durch Anatolien ohne Ballonfahrt in Kappadokien
Ich verbringe eine kurze Nacht in dem kleinen Ort Ortahisar, denn am nächsten Morgen heißt es früh aufstehen für meine 2. Ballonfahrt in Kappadokien. Es ist noch dunkel und die Außentemperatur nahe am Gefrierpunkt, für November nicht ungewöhnlich in dieser Gegend. Ich ziehe alles an, was ich im Koffer finde. Pünktlich um 6 Uhr steht der Bus bereit, ich steige ein. Nach kurzer Fahrt erreichen wir den Startplatz, die Vorbereitungen sind in vollem Gang. Gigantische schwarze Hüllen blähen sich auf, erheben sich schließlich in die Höhe.
Um mich herum schweben bunte Heissluftballons wie Lampions am Himmel. Ich bin fasziniert, mit welcher Präzision der Ballon gesteuert werden kann. Das einzige Geräusch an diesem Morgen sind die Gasflammen, die abwechselnd in die Ballons feuern und sie hochsteigen lassen.
Weit über 1000 Meter, der Blick von oben ist ein Erlebnis. Viel zu schnell vergeht die Zeit und erst als wir landen merke ich, wie durchgefroren ich bin.
Zum Abschied gibt es ein Gläschen Sekt, ein Ritual, das sich die Crew nicht nehmen lässt, denn jetzt ist die Zeit, den einen oder anderen Geldschein in die Trinkgeldkasse zu stecken. Jeder Spender erntet Applaus und ich glaube, es hat sich für alle gelohnt.
Zurück geht es ins Hotel und nach kurzer Aufwärmphase fahren wir weiter zum Red Valley. Das rote Tal in Cavinus ist ein Felsental, dass seine Schönheit eigentlich erst zum Sonnenuntergang so richtig entfaltet, denn dann färben sich die Felsen rot.
Eine Landschaft wie ein Schweizer Käse
Die unglaubliche Landschaft von Kappadokien ist vor vielen Millionen Jahren maßgeblich durch den zeitgleichen Ausbruch der zwei Vulkane Erciyes Dağı und Hasan Dağı entstanden. Kilometerweit bedeckte ihre meterdicke Ascheschicht das ganze Land, gefolgt von großen Lavaströmen, die beim Erkalten den Boden versiegelten. Im Laufe der Jahrtausende bekam diese Schicht Risse, Regenwasser drang ein und schuf durch Erosion diese markanten Täler und die berühmten Feenkamine, jene spitzen Kegel, die teilweise noch einen „Lavadeckel“ wie einen Hut balancieren.
Das vulkanische Tuffgestein ist so weich, dass man mit dem bloßen Fingernagel Kerben einritzen kann. Wie ein Schweizer Käse wurden die Felsen ausgehöhlt und bis heute leben in Kappadokien Menschen in ihren Höhlenwohnungen.
Auf keinen Fall verpassen, das Freilichtmuseum von Göreme
Bei meiner Rundreise durch Anatolien ist natürlich ein Besuch im Freilichtmuseum von Göreme fest eingeplant und das nicht ohne Grund. Mehr als 30 Felsenkirchen aus frühchristlicher Zeit befinden sich auf diesem Gelände. Die Malereien in den Kirchen sind beeindruckend, sehr detailliert und farbenfroh. Seit Kurzem ist auch die Karanlik Kilise Kirche, die sogenannte „dunkle Kirche“ nach jahrelanger und umfangreicher Restaurierung wieder geöffnet. Die Gemälde an ihren Wänden sind von so intensiver Farbigkeit, ich kann kaum glauben, wie alt sie sind. Der Eintritt für diese Kirche kostet extra, lohnt sich aber meiner Meinung nach. Das Fotografieren ist in den Kirchen absolut verboten, denn zu oft kommt es vor, dass dabei doch aus Versehen geblitzt wird.
Fotos und Text Britta Smyrak
Zur dieser Rundreise durch Anatolien wurde ich von Ögertours eingeladen. Vielen Dank dafür.