Bing bong, 11 Uhr, Schule aus. Endlich Ferien und zack, zack zum Flughafen in den Flieger nach Glasgow! Wieso eigentlich Glasgow? Wenn ich London sage, kriegt jeder gleich feuchte Augen, bei Glasgow teilt sich die Gruppe in Begeisterung (das sind die, die schon mal dort waren) und Schockstarre (das sind die anderen). Zeit für den Selbstversuch: In 48 Stunden Glasgow mit Kind entdecken.
Okey dokey
Ich bin doch immer wieder begeistert, wie schnell das geht. Eben noch in Berlin, keine zwei Stunden später schon in Glasgow.
Am Flughafen gönnen wir uns ein Taxi zum Grand Central Hotel direkt im Zentrum, im Bahnhof von Glasgow. Man könnte auch den Bus oder den Zug nehmen, beides ist vorhanden, aber wir haben es eilig , denn wir sind heute Abend schon verplant.
„Okey dokey“ zur Begrüßung, „okey dokey „zum Abschied, der Taxifahrer ist gut drauf. Wir checken im Hotel ein, das Zimmer ist riesig und das Bett zwei Meter breit! Beim Anblick der gewagten Handtuch Skulptur auf unserem Bett muss ich lachen und denke: „okey dokey!“ Ich lasse den Schwan vorerst am Leben und greife zum Händeabtrocknen zum gefalteten Handtuch im Bad.
Fish and chips and rock’n roll
In 48 Stunden Glasgow mit Kind entdecken und das Kind hat Hunger. Ich auch und weil wir pünktlich um 19 Uhr zur Vorstellung im „Sharmanka Kinetic Theatre“ sein wollen, setzten wir die Mützen auf, machen die Jacken zu und stürzen uns ins Getümmel in Richtung Theater. Noch bevor wir die Fußgängerzone in der Buchananstreet erreichen knallen uns Gitarrenriffs um die Ohren. Wir biegen um die Ecke und entdecken den kleinen Bruder von Slash. Den Verstärker bis zum Anschlag aufgedreht, rockt er die Straße. Großartig.
Der Magen knurrt. wir haben Hunger. Wir laufen, laufen und laufen weiter, kein Imbiss, kein Restaurant, nix in Sicht. Wo haben die sich alle versteckt? Kurz vor sieben, das Theater fängt gleich an, wir müssen das Essen leider nach hinten verschieben.
103 Trongate, wir treten ein und gehen die Treppe hoch. Die Tür ist zu! Keiner da! Ich rüttel und schüttel, nichts passiert. Sind wir zu spät, ist das Theater heute geschlossen? In der Ausstellung ein Stockwerk tiefer wissen sie von nichts. Tja, dann gehen wir jetzt doch essen. In der nächsten Seitenstraße, endlich die Rettung, Gandolfi Fish ein hübscher Fish and Chips Imbiss, wie er im Buche steht.
Bei so viel Auswahl an Fisch hilft immer: Frag den Kellner! Ohne mit der Wimper zu zucken empfiehlt er Haddock (Schellfisch) , also trösten wir uns über die geplatzte Theatervorstellung mit:“zweimal Haddock bitte!“-„Okey dokey!“ (Ich wusste es!)
Heiß und fettig, so muss das sein. Schnell noch zu Hause Bescheid sagen, dass wir gut gelandet sind. Ich stutze mein Handy 18 Uhr 15 an, auf meiner Armbanduhr ist es 19 Uhr 15! AAAAAH mir geht kein Licht auf, sondern ein ganzer Kronenleuchter. Zeitverschiebung! WIR SIND ZU FRÜH! Bzw. waren zu früh, beim Theater, ich muss meine Uhr eine Stunde zurückdrehen. Logisch das die Türen noch verschlossen waren. Wir gehen zurück zum Theater und sind pünktlich dort zur unglaublichen Show.
Vorhang auf, der Wahnsinn beginnt
Wie durchgeknallt muss man eigentlich sein um solche Skulpturen zu bauen? Alles ist in Bewegung, es knallt, rattert, klingelt. An Seilzügen bewegen sich Figuren, Räder werden gedreht, Köpfe wackeln.
Wir gehen von Station zu Station. Immer da, wo der Spot die Szenerie erläuchtet, bricht das Inferno los. Dazu spielt eine irre Musik. Wieder und wieder entdecken wir neue Details, kriegen uns gar nicht mehr ein vor Begeisterung.
Eduard Bersudsky heißt der Erfinder vom „Sharmanka Kinetic Theatre“. Sharmanka ist russisch und bedeutet Drehorgel. Das Theater der kinetischen Skulpturen wurde von ihm 1989 in St. Petersburg gegründet. Bersudsky ist ein Autoditakt. Mit Ende zwanzig fing er an, Figuren aus Holz zu schnitzen. Er belegte Abendkurse in Zeichnen und Bildhauerei und fing 1974 an in seiner Einzimmerwohnung diese kinetischen, also beweglichen Skulpturen, ferngesteuert und angetrieben von Elektromotoren, zu bauen. Er verwendete dafür, was er finden konnte. Teile von alten Möbeln, Metallteile und natürlich seine skurrilen geschnitzten Figuren. Zusammen mit Tatyana Jakovskaya gründete er 1988 das „Sharmanka Kinetic Theatre“ und bis 1989 sahen nur Freunde bei ihm zu Hause diese kleinen Meisterwerke. Aus wirtschaftlichen Gründen verließen sie 1993 samt ihrem Theater Russland. Seit 1996 hat Sharmanka in Glasgow seine Pforten geöffnet und ich empfehle jedem, hier herzukommen. Aktuell finden Vorstellungen von mittwochs bis sonntags um 15 Uhr (35 Minuten) statt. Karten kosten 5 £/ermäßigt 3 £; donnerstags und sonntags um 19 Uhr (60 Minuten; vorgeführt werden auch die originalen Holz-Kinematen aus St. Petersburg). Die Karten kosten 8 £/ermäßigt 5 £ Kinder unter 16 Jahren sind frei.
Bis jetzt verläuft der Selbstversuch in 48 Stunden Glasgow mit Kind entdecken großartig. Ich bin gespannt was uns Morgen erwartet. Und weil es so irre war und man es eigentlich nicht in Worte fassen kann, hier noch mehr Bilder aus dem Theater.
Text und Bilder: Britta Smyrak
In 48 Stunden Glasgow mit Kind entdecken – Vielen Dank an die Stadt Glasgow für die Einladung zu dieser Reise und den fulminanten Start.