Wir alle kennen die Märchen von Aschenputtel, Schneewittchen, Hänsel & Gretel, dem Rattenfänger von Hameln und den vielen anderen Figuren, die schon unsere Ur-ur-Großeltern als Kinder erzählt bekamen, aber kennen wir auch ihre wahren Geschichten?
Was nur wenige wissen: Die Märchenfiguren gab es wirklich
Schneewittchen gab es wirklich! Die Sieben Zwerge gab es tatsächlich, Rapunzel, Hänsel und Gretel, sogar Frau Holle und den Rattenfänger von Hameln! Und auf ihren Spuren könnt Ihr wandeln. Die Deutsche Märchenstraße führt über 600 Kilometer zu den Ursprüngen der weltweit bekannten Märchen, die allerdings vornehmlich aus der hessischen Heimat der Grimms stammen. Ich habe diese Reise als Familien-Roadtrip gemacht. Oma, Opa, Mama und Sohn im geräumigen VW Touran unterwegs. Es war besonders, es war aufregend. Für alt und jung –denn durch Märchen und durch das, was sie in uns auslösen, und welche uns ansprechen, erfahren wir immer wieder viel über uns selbst!
Stellt Euch Eure persönliche Route zusammen
Die Deutsche Märchenstraße führt offiziell von Hanau bis nach Bremerhaven. Vorbei an über 60 Plätzen, die mehr oder weniger mit den berühmten Märchen in Verbindung stehen. Dazu zählen Burgen und Schlösser, Museen, Freilichtbühnen, Stadtführungen, Theater, Hotels, Wälder, Denkmäler …
Es lohnt sich, sich vorher seine eigene Route zusammenzustellen. Nach den persönlichen Lieblingsmärchen oder denen der Kinder! Um Euch einen Vorgeschmack zu bieten, kommen hier meine Favoriten: Dornröschen, Schneewittchen, der Rattenfänger von Hameln, Rapunzel und ich verrate Euch auch ein wenig, von dem, was wir herausfanden!
Der Rattenfänger von Hameln
1284 verschwanden die Kinder aus der Stadt. Und das ist tatsächlich historisch belegt. Doch warum ist bis heute ein Rätsel, aber es gibt Theorien …Wir machen eine aufregende, 60 Minuten dauernde Stadtführung mit dem Flöte spielenden „Rattenfänger“ durch die wunderbare Altstadt – zu buchen über das Tourismusbüro Hameln – und erfahren viel über die Verhältnisse im Mittelalter, zu der Zeit, in der die Kinder verschwanden und über die vielen Theorien: Alkohol soll im Spiel gewesen sein, der Rattenfänger sowas wie heute ein Rockstar, ein Guru, dem die Kids blind folgten. Oder war es doch ganz anders? Von einem Rendezvous mit dem Rattenfänger berichtet auch Lena auf ihrem Reiseblog Family4Travel.
Mein Übernachtungstipp: Schlosshotel Münchhausen. Eine märchenhafte Unterkunft, die alle Wünsche erfüllt und außerordentlich geschmackvoll hergerichtet wurde, mit einem wundervollen Kaminsaal. Hat nicht direkt was mit den Grimm-Brüdern zu tun, aber auch mit einer berühmten Geschichte …
Dornröschen
Ich schlafe wie Dornröschen. In einem Himmelbett unter Leuchtsternen im Turmzimmer auf der Sababurg. Hier könnte sich das Märchen mit der berühmten Rosenhecke zugetragen haben, denn die Burg ist eine Ruine und lag tatsächlich lange im Schlaf, umgeben von einem „Märchenwald“, dem Reinhardswald oder auch Sabawald, einem der wenigen noch echten Urwälder Deutschlands …
Mein Tipp: Gleich neben der Burg liegt der Tierpark Sababurg – der älteste Zoo Europas, 1571 vom Landgrafen Wilhelm IV. Eingerichtet, 130 Hektar groß, 900 Tiere, u.a. Wisente, Rentiere und Wölfe!
Die Bremer Stadtmusikanten
Sie stehen ganz lieb neben dem Rathaus, wer sie berührt (aber Vorsicht: Es gibt nur EINE richtige Art und Weise), darf sich etwas wünschen. Unterhaltsam, lehrreich und nachdenklich stimmend sind die Stadtführung durch die historische City mit dem berühmten Bremer Rathaus und dem „Roland“ davor, dem ehemals jüdischen Viertel und dem verwinkelten von unzähligen mini-kleinen Gassen durchzogenen Schnoorviertel. In Bremen lässt sich viel über den langen und blutigen Weg zu unserem freien, demokratischen Europa erfahren – und was die Stadtmusikanten damit zu tun haben …
Mein Übernachtungstipp: Der Dreimaster Alexander von Humboldt (übrigens ein Freund der Grimmschen Brüder) ist hier vor Anker gegangen und inzwischen ein Hotel.
Schneewittchen und die Sieben Zwerge
Wir erkunden das ehemalige Bergwerk in Bergfreiheit. Heimatforscher Eckhard Sander, der selbst ein wenig an einen Zwerg erinnert, führt uns durch die Katakomben und erzählt: „Hier mussten Kinder arbeiten. Durch die harte, dauerhafte Arbeit, oft stundenlang im Liegen, ohne Sonnenlicht, bei schlechter Ernährung blieben die kleinen Arbeiter im Wachstum zurück und vergreisten frühzeitig.
„Übrigens: Sie trugen lange Zipfelmützen aus Filz, die sie vor herabfallenden Steinen schützen sollten.“ Sander ist sich sicher: „Diese Kinder, die sich im Bergwerk schinden mussten: Sie sind die literarischen Vorbilder der Sieben Zwerge!
In Bergfreiheit liegt auch das „Schneewittchenhaus“. Eine alte Bergmannshütte, typisch für die Gegend und einzigartig, denn diese Häuser hatten nur einen Raum, in dem die Bergleute gemeinsam schliefen und aßen.
Sander schrieb ein Buch über seine Forschungen („Das Leben der Margarethe von Waldeck“) und ist sich sicher: Schneewittchen wurde 1533 als Margarethe von Waldeck auf Schloss Friedrichstein geboren und verliebte sich später am Brüsseler Hof in den spanischen Kronprinzen. Dort soll sie einer Intrige zum Opfer gefallen und vergiftet worden sein. Sander ist sicher: Sie ist das echte Schneewittchen. Margarethe, deren Mutter wie im Märchen früh verstarb, galt als wunderschön. Übrigens: Zwischen Brüssel und Friedrichstein liegt das Siebengebirge – die berühmten sieben Berge …
Mein Übernachtungstipp: Das Hotel Schloss Waldeck, es gibt einen schönen Wellnessbereich, ein tolles Restaurant und vor allem einen wundervollen Blick (s.o.) über den Edersee.
Rapunzel
Der „Rapunzelturm“ steht auf der Trendelburg. Dort gibt es nicht nur eine herrliche Aussicht, sondern auch ein gediegenes Hotel mit Rittersaal und so richtig, echtes, grusel Schloss-Feeling, aber auch Sauna und ein Panorama-Restaurant, hier lässt es sich auch übernachten.
Wer etwas lernen möchte, dem empfehle ich die spannende Führung: Warum wurden im Mittelalter Frauen in Türme gesperrt? Was war der „Hexenturm“? Das gibt eine ganz neue Sicht auf die Geschichte mit dem Mädchen und dem langen Haar, das im Turm hauste.
Die Gebrüder Grimm
Es war das Jahr 1816, also genau vor 200 Jahren, als die schlauen Gebrüdern Jacob (1785-1863) und Wilhelm Grimm (1786-1859) ihre zuvor gesammelten alten, deutschen Erzählungen zum ersten Mal unter dem Titel „Grimmsche Sagen“ herausbrachten. Die Sagen und später noch die Märchen sollten – nach der Luther-Bibel – das berühmteste, das bekannteste und erfolgreichste deutsche Buch aller Zeiten werden. Übersetzt in 160 Sprachen, die Original-Handschrift steht unter UNESCO-Schutz, zählt es zu den großen deutschen Kulturgütern.
Wer sich für das Leben der berühmten Brüder interessiert, kann auf der Deutschen Märchenstraße mehreren Lesungen lauschen, z.B. auf der Sababurg. Aber es gibt auch zwei Orte, die auf der Strecke liegen, an denen Ihr richtig in ihr Leben eintauchen könnt:
- Die Gebrüder Grimm Stadt Steinau, hier verbrachten die Brüder ihre behütete Jugend. Zu besichtigen ist das Gebrüder Grimm Haus, Schloss und Kirche.
- Wunderbar, sinnlich, erlebnisreich und erhellend ist die multimediale, nach neuesten Museumstandards entwickelte GrimmWelt in Kassel, die im Herbst 2015 eröffnete.
Beide Museen sind natürlich für Familien grandios geeignet. Einen sehr schönen Bericht über einen Museumsbesuch findest du auch auf dem Reiseblog Travelisto. Ich wünsche märchenhafte Ferien!
Fotos und Text: Verena Schulemann