Olivenöl ist längst nicht mehr nur ein einfaches Küchenöl. Es ist ein echtes Geschmackserlebnis, das es zu entdecken gilt. Beim Olivenöl Tasting im Olio Costa in Berlin lernst du, wie du die Qualität eines Olivenöls beurteilst und worauf es wirklich ankommt. Gastgeber im kleinen Ladengschäft in Friedrichshain ist Arkadius, Inhaber und echter Experte, wenn es um Olivenöl geht.
Wir sind neun Teilnehmer, alle neugierig darauf, was gutes Olivenöl ausmacht. Wir verkosten acht verschiedene Olivenöle aus Italien. Bis auf eines stammen alle aus der aktuellen Ernte im Herbst. Dazu gibt es frisches Weißbrot, Oliven, eingelegte Tomaten, Wasser und Wein.
Olivenöl richtig verkosten: So läuft ein Olivenöl Tasting ab
Jedes Olivenöl wird in einem kleinen Becher serviert. Zuerst decken wir den Becher mit der Hand ab, um das Öl nicht sofort zu riechen. Mit der anderen Hand wärmen wir den Becher leicht an. Erst dann riechen wir.
Danach nehmen wir einen Schluck Öl in den Mund und schlürfen es wie bei einem Wein-Tasting. So gelangt Sauerstoff ins Öl und es verteilt sich im ganzen Mundraum. Nun achten wir auf zwei wichtige Merkmale: Bitterkeit auf der Zunge und Schärfe im Hals.
Arkadius bringt es früh auf den Punkt: Wir wollen die Bitterkeit, wir wollen das Kratzen im Abgang. Keine Bitterkeit, kein Kratzen – kein gutes Olivenöl.
Warum Polyphenole Olivenöl so wertvoll machen
Die Bitterkeit und Schärfe im Olivenöl kommen von den Polyphenolen. Das sind antioxidative Pflanzenstoffe, von denen es über 30 verschiedene im Olivenöl gibt. Sie sind für den Geschmack verantwortlich und gleichzeitig für die gesundheitsfördernden Eigenschaften.
Ein mildes Olivenöl, das nach nichts riecht und schmeckt, enthält kaum Polyphenole. Solche Öle werden schneller ranzig und haben keinen Mehrwert gegenüber anderen Pflanzenölen.
Die ersten Öle im Olivenöl Tasting
Der Einstieg ins Olivenöl Tasting beginnt mit einem sizilianischen Öl, das frisch und grasig duftet und angenehm im Hals kratzt. Dieses Öl zeigt sofort, wie charakterstark gutes Olivenöl sein kann.
Das zweite Öl im Tasting heißt Cosimo und stammt von der Novello Olive. Es besticht durch seine intensive grüne Farbe und einen extrem frischen Duft. Dieses ungefilterte Öl ist erst vier Wochen alt und sollte rasch verbraucht werden. Arkadius betont, dass ungefilterte Öle wegen der enthaltenen Fruchtpartikel schneller verderben und deshalb nicht lange gelagert werden sollten. Besonders kritisch ist die transparente Flasche, die zwar optisch ansprechend ist, jedoch die Haltbarkeit negativ beeinflusst, da Licht das Öl schädigt.
Frische, Filtration und Haltbarkeit von Olivenöl
Frisch gepresstes, naturtrübes Olivenöl bietet zunächst ein intensives Aroma und eine hohe Qualität. Langfristig können jedoch die im Öl enthaltenen Fruchtpartikel – auch Ölschlamm genannt – zu Geschmacksveränderungen und Defekten führen. Der Begriff „naturtrüb“ wird oft romantisch verklärt, entspricht aber nicht unbedingt einem Qualitätsmerkmal. Wenn du ungefiltertes Olivenöl kaufst, solltest du es deshalb möglichst schnell aufbrauchen.
Die Filtration entfernt diese Fruchtrückstände, verlängert die Haltbarkeit und sorgt für ein stabiles Aroma. Hochwertige Mühlen setzen daher auf eine sorgfältige Filtration und lagern ihr Öl in Edelstahltanks unter Stickstoff und bei kontrollierter Temperatur. So bleiben die wertvollen Polyphenole erhalten und das Öl bewahrt seine Frische und Intensität.
Olivenöl ist besonders empfindlich gegenüber Licht, Sauerstoff und Wärme – diese drei Faktoren sind die größten Feinde des Öls.
Olivensorten – wichtiger als das Land
Ein zentrales Missverständnis räumt Arkadius klar aus: Es gibt kein italienisches, spanisches oder griechisches Olivenöl. Entscheidend ist nicht das Land, sondern die Olivensorte. Im Mittelmeerraum gibt es über 800 Olivensorten, allein in Italien etwa 500.
Nicht jede Sorte kann gleich viele Polyphenole ausbilden. Eine der polyphenolreichsten Sorten ist die Coratina, die vor allem in Apulien angebaut wird.
Citrale aus Sizilien: Ein Öl zum Verlieben
Das dritte Olivenöl heißt Citrale. Es riecht frisch, schmeckt zunächst sanft und entwickelt dann eine klare, ordentliche Schärfe. Hier wird deutlich, dass wir uns im Tasting steigern. Dieses Öl überzeugt mich so sehr, dass ich später eine Flasche kaufe.

Reifegrad der Olive: Entscheidend für die Qualität
Ein wichtiger Faktor für die Qualität des Öls ist der Reifegrad der Oliven. Grüne, unreife Oliven haben zwar weniger Öl, enthalten dafür aber viel mehr Polyphenole und sorgen für das typische bittere und scharfe Profil. Reife schwarze Oliven geben mehr Öl, aber mit weniger Geschmack und gesundheitsfördernden Inhaltsstoffen. Wer gutes Olivenöl trinken möchte, müsse seinen Geschmack anpassen – nicht umgekehrt.
Aus 100 Kilogramm unreifer Oliven gewinnt man etwa 11 bis 12 Liter Öl. Aus reifen Oliven können es bis zu 27 Liter sein – das ist ein echter Ertragsverzicht. Gute Olivenölhersteller setzen hier ganz klar auf Qualität statt auf Masse.
Geschmack und Aroma – das große Missverständnis
Beim Olivenöl Tasting lernen wir, dass Geschmack über die Zunge wahrgenommen wird, das Aroma aber vor allem durch die Nase. Deshalb können Olivenöle grasig, fruchtig oder kräuterig riechen, während sie gleichzeitig bitter schmecken.
Das vierte Öl ist ein Aromaöl, das genau diesen Unterschied zeigt. Mit zugehaltener Nase schmeckte es süß, doch öffnet man die Nase, kommen intensive Zitrusaromen zum Vorschein.
Intensität nimmt zu: Olivenöle aus Apulien und der Toskana
Das fünfte Olivenöl, Noe aus Apulien, ist sortenrein aus der Peranzana-Olive. Es ist intensiv bitter und scharf im Abgang – ein klassisches hochwertiges natives Olivenöl extra.

Das sechste Öl stammt aus der Toskana und ist ein Blend aus drei Olivensorten. Es beginnt mild und steigert sich langsam zu einer klaren, anhaltenden Schärfe.
Extremes Olivenöl aus Umbrien
Das siebte Öl ist für viele der Höhepunkt – oder die Grenze. Es stammt aus Umbrien, aus einer kleinen Mühle, die ausschließlich eigene Oliven verarbeitet. Frantoio, abgefüllt in einer blauen Flasche. Dieses Öl ist extrem intensiv, eine regelrechte Polyphenolbombe. Es brennt deutlich nach und übertrifft alles, was wir zuvor probiert haben.

Olivenöl Tasting ist auch Geschmackssache: Coratina aus Apulien
Das achte und letzte Öl ist ein Coratina aus Apulien. Auch hier ist die Bitterkeit sehr ausgeprägt. Arkadius erklärt, dass Coratina-Öle Polyphenolgehalte von 600 ppm und mehr erreichen können. Manche schaffen sogar über 1000 ppm. Die letzten beiden Öle sind mir persönlich zu bitter, auch wenn sie objektiv von hoher Qualität sind.

Wie du Olivenöl richtig lagerst und verwendest
Nach so einem Tasting weißt du: Olivenöl ist empfindlich. Deshalb solltest du es immer dunkel, kühl und luftgeschützt lagern. Der Kühlschrank ist kein idealer Ort, da die Kälte die Struktur verändert. Große Kanister machen nur Sinn, wenn du das Öl schnell verbrauchst.
Olivenöl entfaltet seinen Geschmack am besten, wenn du es am Ende des Kochens oder direkt auf fertige Gerichte gibst. Zum Beispiel über Pasta, Suppen, Gemüse oder Fleisch. In Salaten gehen viele Aromen verloren, weil das Öl oft mit Essig gemischt wird.
Fazit Olivenöl Tasting: Wenn ein Olivenöl kratzt, ist es gut.
Arkadius empfiehlt, Olivenöl nicht nur für Salat zu verwenden. Am besten entfaltet es seine Wirkung, wenn man es am Ende über Pasta, Suppe, Gemüse oder sogar über ein Steak gibt. Olivenöl sei nicht monogam, sagt er lachend, sondern polyamor und passe zu sehr vielen Speisen.
Am Ende bleibt vor allem eine Erkenntnis: Gutes Olivenöl erkennt man nicht an Farbe, Herkunft oder Marketingbegriffen, sondern an Frische, Bitterkeit und Schärfe. Wenn es kratzt, ist es gut.
Ein Olivenöl Tasting kann dir helfen, deine Sinne zu schulen und ein echtes Verständnis für die Qualität zu entwickeln. So machst du aus einfachem Öl ein echtes Geschmackserlebnis.
Text und Fotos Britta Smyrak
Danke Arkadius für die Einladung zu diesem wirklich aufschlussreichen Olivenöl Tastings.
